Noch mehr literarisches (nicht nur) über den Hund

Ein wundervoller Text, den ich von einem lieben Freund bekommen habe: unsere Hunde können das alles; wir Menschen leider nicht immer.

Die Einladung

Es interessiert mich nicht, was Du beruflich machst.
ich möchte wissen, wonach Du Dich sehnst und ob Du es wagst davon zu träumen,
Deines Herzens Sehnsucht zu stillen.

Es interessiert mich nicht, wie alt Du bist,
ich möchte wissen, ob Du riskieren wiesrt,
wie ein Narr zu wirken.
Um der Liebe willen, um Deiner Träume willen,für das Abenteuer des Lebens.

Es interessiert mich nicht,
welche Planeten im Quadrat zu Deinem Mond stehen.
Ich möchte wissen,
ob Du das Zentrum Deines eigenen Kummers berührt hast,
ob Du durch des Lebens Verrat geöffnet worden bist
oder ob Du Dich verhärtet und verschlossen hast
aus Angst vor weiterem Schmerz.
Ich möchte wissen, ob du Schmerz aushalten kannst,
meinen oder Deinen eigenen, ohne ihn zu verstecken,
verkleinern oder heilen zu wollen.
Ich möchtewissen,ob Du Freude erleben kannst,
meine, oder Deine eigene:ob Du mit Wildheit tanzen kannst
und Dich von Extase auffüllenläßt,
bis in die Finger-und Fußspitzen.
Ohne uns zu ermahnenvorsichtig oder realistisch zu sein
oder uns an die Beschränkung des Mensch-Seins zu erinnern.
Es ist mir egal, ob die Geschichte, die Du mir erzählst, wahr ist.
Ich möchte wissen, ob Du jemand anderen enttäuschen kannst,
um Dir selbst treu zu bleiben.
Ob Du die Anschuldigung des Verrats ertragen kannst,
ohne Deine Seele zu verraten.
Ich möchte wissen, ob Du treu sein kannst,
und damit vertrauenswürdig.
Ich möchte wissen, ob Du die Schönheit sehen kannst,
selbst wenn sie nicht jeden Tag hübsch anzuschauen ist,
und ob Du den ursprung Deines lebens
aus ihrer Gegenwart entnehmen kannst.
ich möchte wissen, ob Du mit Misserfolgen leben kannst,
Deinen oder meinen,
und dennoch am ufer eines Sees stehend
dem silbernen Mond zurufen kannst:"Hurra"!

Es interessiert mich nicht,
wo Du lebst oder wieviel Geld Du hast.
Ich möchte wissen, ob Du nach der nacht der Trauer
und Verzweiflung aufstehen kannst, erschöpft und zerschlagen,
und für die Kinder sorgen kannst, wie es nötig ist.

Es ist mir egal, wer Du bist oder wie Du hierher gekommen bist,
ich möchte wissen,
ob Du mit mir inmittendes Feuers stehen wirst, ohne zurück zu zucken.

Es ist mir gleich, wo oder wasund bei wem Du studiert hast.
ich möchte wissen, obDu mit Dir alleine sein kannst,
und ob Du Deine Gesellschaft in den leeren Momenten wirklich magst.

Oriah Mountain Dreamer, Indian Elder

Morgens um acht von Kurt Tucholsky

Neulich habe ich einen Hund gesehen – der ging ins Geschäft. Es war eine Art gestopfter Sofarolle, mit langen Felltroddeln als Behang, und er wackelte die Leipziger Straße zu Berlin herunter; ganz ernsthaft ging er da und sah nicht links noch rechts und beroch nichts, und etwas anderes tat er schon gar nicht. Er ging ganz zweifellos ins Geschäft.

Und wie hätte er das auch nicht tun sollen? Alle um ihn taten es.

Da rauschte der Strom der Insgeschäftgeher durch die Stadt. Morgen für Morgen taten sie so. Sie trotteten dahin, sie gingen zum Heiligsten, wo der Deutsche hat, zur Arbeit. Der Hund hatte da eigentlich nichts zu suchen – aber wenn auch er zur Arbeit ging, so sei er willkommen.

Es saßen zwei ernste Männer in der Bahn und sahen, rauchend, satt, rasiert und durchaus zufrieden, durch die Glasscheiben, Man wünscht sich in solchen Augenblicken ein Wunder herbei, etwa, dass dem Polizeisoldaten an der Ecke Luftballons aus dem Helm steigen, nur damit jene einmal Maul und Nase aufsperrten! Da fuhr die Bahn an einem Tennisplatz vorüber. Die güldene Sonne spielte auf den hellgelben Flächen – es war strahlendes Wetter, viel zu schön für Berlin. Und einer der ernsten Männer murrte: »Haben auch nichts zu tun, sehen Sie mal! Morgens um acht Uhr Tennis spielen! Sollten auch lieber ins Geschäft gehen –!«

Ja, das sollten sie. Denn für die Arbeit ist der Mensch auf der Welt, für die ernste Arbeit, die wo den ganzen Mann ausfüllt. Ob sie einen Sinn hat, ob sie schadet oder nützt, ob sie Vergnügen macht (»Arbeet soll Vajniejen machen? Ihnen piekt er woll?«) –: das ist alles ganz gleich. Es muß eine Arbeit sein. Und man muß morgens hingehen können. Sonst hat das Leben keinen Zweck.

Und stockt einmal der ganze Betrieb, streiken die Eisenbahner oder ist gar Feiertag: dann sitzen sie herum und wissen nicht recht, was sie mit sich anfangen sollen. Drin ist nichts in ihnen, und draußen ist auch nichts: also was soll es? Es soll wohl gar nichts ...

Und dann laufen sie umher wie Schüler, denen versehentlich eine Stunde ausgefallen ist – nach Hause gehen kann man nicht, und zum Spaßen ist man nicht aufgelegt ... Sie dösen und warten. Auf den nächsten Arbeitstag. Daran, unter anderm, ist die deutsche Revolution gescheitert: sie hatten keine Zeit, Revolution zu machen, denn sie gingen ins Geschäft.

Wobei betont sein mag, dass man auch im Sport dösen kann, der augenblicklich wie das Kartenspiel betrieben wird: fein nach Regeln und hervorragend stumpfsinnig. Aber schließlich ist es immer noch besser, zu trainieren, als im schwarzen Talar Unfug zu treiben ...

Ja, sie gehen ins Geschäft. »Was für ein Geschäft treibt ihr?« – »Wir treiben keins, Herr. Es treibt uns.« Der Hund sprang nicht. Man hüpft nicht auf den Straßen. Die Straße dient – wir wissen schon. Und das verlockende, niedrig hängende patriotische Plakat ... der Hund ließ es außer acht.

Er ging ins Geschäft


Ignaz Wrobel

Die Weltbühne, 28.06.1923, Nr. 26, S. 763,

Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln:
Erstens durch Nachdenken - das ist der edelste;
zweitens durch Nachahmen - das ist der leichteste;
und drittens durch Erfahrung - das ist der bitterste.

Konfuzius